Die Digitalisierung hat die direkte Demokratie mitgerissen. Doch niemand wagt sich ans Steuer, um den Kurs vorzugeben. Während traditionelle Verbände, Parteien und Lobbys in der Krise stecken, erobern in der Schweiz vernetzte Meinungsmacher, virale Onlinekampagnen und digitale Plattformen die politische Bühne. Die Risiken sind bekannt: Populismus, Fake News und Datenschutz sind nur einige Stichworte. Kaum Thema waren bisher die Chancen der Digitalisierung für eine smartere Verwaltung, für mehr Mitgestaltung und eine stärkere Demokratie. Ein neues Buch fordert ein Update des politischen Systems und entwirft eine Agenda für eine digitale Demokratie.
Die Buchautoren Maximilian Stern und Daniel Graf sind erfahrene Netzwerkaktivisten: Stern als Mitbegründer von foraus – Forum Aussenpolitik, Graf als Campaigner und Mitbegründer der Online-Plattform wecollect. Sie kennen die Chancen und Gefahren der Digitalisierung in der Politik aus persönlicher Anschauung.
Die Disruption des politischen Systems
Nicht von ungefähr schreibt Claude Longchamp im Vorwort zu Agenda für eine digitale Demokratie: «Wenn ich ihr Buch Revue passieren lasse, finde ich darin ein demokratiepolitisches Programm einer neuen Generation, die mehr und mehr von Digital Natives geprägt ist.»
Neue Technologien prägen nicht nur unseren Alltag und die Wirtschaft. Sie werden auch die Art und Weise, wie unsere Demokratie organisiert ist, fundamental verändern. «Die Digitalisierung macht das politische System nicht nur schneller, einfacher und günstiger; der Sprung ins Internet bietet Bürgerinnen und Bürgern neue Zugänge – Form und Ort des politischen Diskurses passen sich an, politisches Engagement kann neue Gestalt annehmen, und Akteure wie Verbände oder Parteien müssen sich neu organisieren. Mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung und mehr Zugang sind möglich», so Graf und Stern.
Dass das hohe Tempo des technologischen Fortschritts auch «viele Sicherheiten ins Wanken» bringt, verschweigen die Autoren indes nicht: Staatstragende Organisationen werden von dynamischen Netzwerken abgelöst. Internationale Konzerne beeinflussen die nationale Politik, «digitale Empörungswellen können bei Volksabstimmungen zu neuen Mehrheiten führen. Alle diese Veränderungen finden zudem nicht am Experimentiertisch statt, sondern in funktionierenden, lebendigen Gesellschaften.»
Graf/Stern entwerfen Szenarien, skizzieren Ideen und machen Vorschläge, wie sich die digitale Demokratie weiterentwickeln liesse. Sie setzen auf neue Instrumente, die unter dem Begriff Civic Tech zusammengefasst werden: «Technologien, die es den Bürgerinnen und Bürgern erlauben, sich aktiv in die politischen Prozesse einzuschalten und Verantwortung für die digitale Willensnation zu übernehmen.»
Die neuen Möglichkeiten und Nebenwirkungen der Digitalisierung illustrieren die Autoren nicht nur anhand des momentanen Stands der Dinge auf. Sie richten darüber hinaus mit fünf Szenarien den Blick in die Zukunft und entwerfen beispielsweise einen 27. Kanton: Die «République Digitale».
Im Buch beschreiben sie, wie die Digitalisierung die Wirtschaft, Arbeitswelt und Mobilität in der Schweiz verändert. Im Zentrum steht jedoch die Frage, wie sich die Dynamik auf Bürgerinnen und Bürger auswirkt, wie sie Exekutive, Legislative und Judikative verändert.
Die Autoren legen dar, welche Plattformen – neben Facebook und Twitter – genutzt und wie diese in den Dienst einer demokratischen Gesellschaft gestellt werden können. Wie Crowd-Kampagnen Bürgerinnen und Bürger mobilisieren, wie etablierte Verbände, Parteien oder Gewerkschaften auf dynamische Neulinge reagieren, die als sich ständig neu zusammensetzende Netzwerke die politischen Prozesse aufmischen. Zu guter Letzt fragen sie, wie eine Schweizer Aussenpolitik im digitalen Zeitalter aussehen könnte.
Daniel Graf (*1973) hat Geschichte, Volkswirtschaft und Soziologie studiert. Als Kommunikationsstratege und Berater unterstützt er NGOs, Parteien und Verbände bei Kampagnen. Zuvor war er Mediensprecher bei Amnesty International und Geschäftsführer der Grünen Partei Zürich. Er ist Mitbegründer der Online-Plattform wecollect.
Maximilian Stern (*1986) hat Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Europarecht studiert. Er ist Mitgründer und ehemaliger Geschäftsführer des Think-Tanks foraus – Forum Aussenpolitik und Mitgründer des staatslabors, eines Think-Tanks für Innovation in der Verwaltung.
Montag, 11. Juni, 18:30 Uhr, Buchhandlung Sphères, Hardturmstrasse 66, Zürich
Gespräch mit Anja Wyden Guelpa (Staatskanzlerin Kanton Genf) und Claude Longchamp (Verwaltungsratspräsident gfs.Bern, Lehrbeauftragter, Politikwissenschafter), Moderation: Daria Wild (Redakteurin Watson).
Dienstag, 12. Juni, 19:30 Uhr, unternehmen mitte, Salon 1. OG, Gerbergasse 30, Basel
Gespräch mit Laura Zimmermann (Operation Libero) und Ronja Jansen (Co-Präsidentin Juso BL). Moderation: Renato Beck (CO-Redaktionsleiter TagesWoche).
Lesesprobe
Inhaltsverzeichnis
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Downlaod des Cover in druckfähiger Auflösung
Veranstaltung am 11.6.2018 im Sphères, Zürich
Veranstaltung am 12.6.2018 im unternehmen mitte, Basel